Das kommunale Ehrenamt

Bericht von der GAR-Delegiertenversammlung vom 24. Februar 2018

Geprägt war die diesjährige GAR-Delegiertenversammlung im Bereich der Personalia von einem Abschied und einem herzlichen Willkommen. Der langjährige GAR-Vorstandssprecher Günter Karen-Jungen legte nach 22 Jahren sein Amt nieder. Für Ihn wurde Andreas Wolter, Bürgermeister aus Köln, zum neuen Vorstandssprecher gewählt. Der GAR Vorstand ist nun wieder mit Hilde Scheidt (Bürgermeisterin Aachen) als Vorstandssprecherin und den beisitzenden Vorständen Dr. Beate Barabasch (Stadtverordnete Langenfeld), Angela Hebeler (Fraktionsvorsitzende Düsseldorf) und David Schichel (Bürgermeister Remscheid) komplett.

Auch in diesem Jahr gab es einen Bericht von der kommunalpolitischen Sprecherin Britta Hasselmann aus der Bundestagsfraktion zu kommunalen Fragen, worin es insbesondere um die neue Situation im Bundestag durch Einzug der AfD, aber auch um das Ringen um Arbeitsfähigkeit des deutschen Bundestags trotz verzögerter Regierungsbildung ging.

Themen im Bericht von Britta Hasselmann waren:

Innenministerium: Das Innenministerium soll mit dem Thema Heimat eine weitere Zuständigkeit bekommen. Auch das Thema Bauen und Wohnen soll ebenfalls dem Innenministerium zugeschlagen werden. Die Frage, ob es hierfür und für das Thema Kommunen einen weiteren Ausschuss geben soll, ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt.

Integrationspauschale: Die Integrationspauschale ist in der mittleren Finanzplanung nicht abgesichert, wie sich in den Sondierungsgesprächen herausstellte. Im Vertragsentwurf der Koalition ist die Finanzierung jedoch aufgenommen, auch über die aktuellen Auslauftermine hinaus, also Fortführung. Unklar ist noch, ob eine feste Summe vereinbart wird oder ob die Pauschale sich womöglich bei Haushaltsberatungen an ‚aktuellen‘ Zahlen orientiert.

Wohnen: Jährlich sollen 1,5 Milliarden € mit dem Schwerpunkt Neubau in den Haushalt aufgenommen werden. Was davon in den sozialgebundenen Mietwohnungsbau und was davon in die Eigenheimförderung fallen soll, ist noch offen. Befristete Sonderabschreibung (Sonder-AFA) für Mietwohnungsbau ist vereinbart. Es gibt eine Verständigung auf Baukindergeld: unklar ist, ob es an die Eigenheimzulage angelehnt wird.

Mietpreisbremse: Teile der Union glauben an qualifizierte Mietspiegel als Ersatz für die Mietpreisbremse, die in ihrer Wirkung zweifelhaft ist. Im Koalitionsvertrag gibt es dazu eine Absichtserklärung. Das Co2- Sanierungsprogramm soll weiter gefördert werden. Noch keine klaren Angaben zur Höhe.

Grundsteuer: Zu diesem Zeitpunkt ist das Thema noch ungeklärt, da die Entscheidung des Verfassungsgerichts noch aussteht. Bei negativer Entscheidung droht den Kommunen eine zentrale Steuereinnahme wegzubrechen. (14 Mrd.)

Im Koalitionsvertrag bekennt man sich zur Grundsteuer und eine Erweiterung um die Grundsteuer C um Anreize für den Neubau auf unbebauten Grundstücken zu setzen.

Die Einrichtung einer Kommission zur Finanzlage der Kommunen ist im Gespräch. Dort sollen auch die kommunalen Altschulden diskutiert werden. Ergebnisse sind kurzfristig nicht zu erwarten.

Außerdem standen die Entlastung des GAR-Vorstands und die Haushaltsberatungen sowie ein Bericht des Vorstandes und der Jahresabschluss 2016 auf der Tagesordnung.

Inhaltlicher Schwerpunkt:

Zum inhaltlichen Schwerpunkt war Dr. David H. Gehne vom Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) zu Gast. Er stellte Ergebnisse aus einer repräsentativen Befragung zur Situation im kommunalen Ehrenamt unter dem Schwerpunkt der Freistellung bzw. der Vereinbarkeit Kommunalpolitik und Beruf vor.

Wer macht Kommunalpolitik?

Auf Vorschlag der Ehrenamtskommission NRW beauftragte das Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) die RUB mit der „Ermittlung der Erforderlichkeit für eine Ausweitung des bisher auf Gleitzeitmodelle beschränkten Nachteilsausgleichs gemäß §44 Absatz 2 GO NRW auf weitere Berufsgruppen oder Arbeitszeitmodelle“. Die Untersuchungsfragen orientierten sich demnach z.B. an der Ermittlung wie viele Mandatsträger*innen in welchem Ausmaß und in welcher Ausgestaltung von flexiblen Arbeitszeitgestaltungen betroffen sind, wie viele von den Freistellungsregelungen Gebrauch machen und welche Handlungsnotwendigkeiten sich daraus ggf. ergeben.[1]

In welchem Alter macht man Kommunalpolitik?

Die repräsentative Studie zeigt, was vermutlich viele kommunalpolitisch aktive ahnen. Die unter 25 jährigen sind kaum zu finden, zwischen 26 und 35 liegt der Anteil bei deutlich unter 10%. Die größte Gruppe bilden parteiübergreifend die 56 bis 65 jährigen. Insgesamt liegt in dieser Alterskohorte der Durchschnitt bei rund 35 % während hier auffällig unter Grünen Mandatsträger*innen diese Altersgruppe überdurchschnittlich oft vertreten ist. Knapp über 50 % der Grünen Kommunalpolitiker*innen kommen aus dieser Altersklasse. Anders in der Gruppe der 66 bis 75 jährigen. Hier liegt der Durchschnitt aller Parteien bei fast 20% und bei Grünen Mandatsträger*innen gibt es nur rund 10% . Insgesamt liegen die 46 bis 55 Jährigen mit einem Durchschnitt von rund 25% bei allen Parteien an zweiter Stelle. Auch bei Grünen ist diese Gruppe zweitstärkste Gruppe, sie liegt aber mit rund 18% mit deutlichem Abstand zu der nächst höheren Alterskohorte hinten.

Wie verteilen sich die Geschlechter?

Noch immer führen die Grünen bei der Geschlechterverteilung in den Rathäusern, kommen aber ihrem Quotierungsziel von 50% leider nicht nach. Unter den untersuchten Parteien schneidet die FDP mit knapp über 10% Frauenanteil noch am schlechtesten ab. Dicht gefolgt von der CDU mit rund 20% und den Linken mit knapp über 20%. Die SPD liegt mit knapp über 30% aber noch über dem Gesamtdurchschnitt.

Welche Abschlüsse haben Mandatsträger*innen?

Insgesamt ist die Fachhochschul- /Hochschulreife unter allen Parteien der am häufigsten zu findende Abschluss. Knapp über 70% aller Mandatsträger*innen haben demnach die Fachhochschul-/ Hochschulreife, während diejenigen mit einem Haupt-/ Volksschulabschluss insgesamt bei knapp über 10% liegen. Mit fast 30% bildet der Realabschluss das untere Mittelfeld.

Im Parteienvergleich sind bei den Grünen, diejenigen mit einer Fachhochschul-/ Hochschulreife mit Abstand die größte Gruppe. Über 90% der Grünen Mandatsräger*innen haben einen höheren Bildungsabschluss, während die Haupt/- Volksschulabsolvent*innen und Realschulabsolvent*innen sich ungefähr gleichauf auf die übrigen 10% verteilen. Nach den Grünen kommt noch die FDP mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an höheren Abschlüssen vor. Hier sind es knapp über 80% während der Haupt-/Volksschulabschluss einen Deut häufiger zu finden ist, als der Realabschluss. Mandatsträger*innen der CDU und SPD liegen mit knapp unter 30% Fachschul-/Hochschulreife knapp unter dem Durchschnitt. Bei der CDU sind diejenigen mit einem Realschulabschluss im Vergleich zum Haupt-/Volksschulabschluss ebenfalls mit 20% häufiger vertreten, als im Vergleich zur SPD. Hier ist die Reihung fast umgekehrt.

Unter den beruflichen Abschlüssen liegen die Grünen mit fast Zweidrittel der Mandatsträger*innen  mit einem Hochschulabschluss deutlich über dem Durschnitt. Generell haben knapp die Hälfte der Mandatsträger*innen einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss inklusive Meister und Techniker.

Wie hoch ist der Zeitaufwand für das kommunale Mandat?

Die berufstätigen Mandatsträger*innen wenden im Durschnitt 32,5 Stunden pro Monat für ihr kommunales Ehrenamt auf. Grüne liegen mit 35,1 Stunden im Monat leicht über dem Durschnitt. Berufstätige Mandatsträger*innen haben eine durchschnittliche Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche.

Insbesondere in Kommunen mit über 100. 000 und mehr Einwohner*innen liegt der Zeitaufwand sogar bei rund 45 Stunden im Monat.

Der Zeitaufwand variiert nicht nur nach Größe der Kommune, sondern auch nach unterschiedlichen Funktionen, die Mandatsträger*innen wahrnehmen. Beispielsweise brauchen Fraktionsvorsitzende einen zeitlichen Monatsaufwand von rund 44 Stunden in Städten und rund 40% in Kreisen, während ‚einfache‘ Mitglieder auch in Fraktionen rund 29 Stunden in Städten und rund 27 Stunden in Kreisen für ihr Mandat aufwenden.

Zusammengefasst

Mandatsträger*innen sind noch immer eher männlich, durchschnittlich 55 Jahre alt und hochgebildet. Zur Herkunft der Mandatsträger*innen bietet die Umfrage leider keine Ergebnisse aber frühere Umfragen wie die der Heinrich-Böll-Stiftung und des Max-Planck-Instituts zeigen eine deutliche Unterrepräsentation von Menschen mit diverskulturellem Hintergrund auf.[2] Der durchschnittliche Arbeitsaufwand von über 30 Stunden im Monat steigt insbesondere bei Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohner*innen stark an auf etwa 45 Stunden im Monat. Hinzu kommt, dass in der Regel zur Mandatsausübung im engeren Sinne häufig weitere Funktionen und ehrenamtliche Tätigkeiten hinzukommen, die den wöchentlichen Arbeitsaufwand ebenfalls beeinflussen.

Erwerbstätigkeit und Freistellung

Gut 70 % der Mandatsträger*innen sind erwerbstätig oder selbstständig. Unter den etwa 30% nicht erwerbstätigen finden sich überwiegend Rentner*innen und Pensionäre. Während Zweidrittel der Erwerbstätigen in Vollzeit beschäftigt sind, sind etwa ein Fünftel davon in Teilzeit beschäftigt. Bei Grünen liegen diejenigen in einer Teilzeitbeschäftigung mit rund 23% deutlich über dem Durchschnitt, der bei rund 11% liegt. Insgesamt geben ca. 45% aller Mandatsträger*innen an, dass sie in flexiblen Arbeitszeitmodellen tätig sind. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind das fas doppelt so viele.[3]

Interessant ist, dass weniger als die Hälfte der Erwerbstätigen die Freistellungsregelung nutzen. In der Regel werden diese von Personen mit festen Arbeitszeiten genutzt. Diejenigen mit flexiblen Arbeitszeiten kompensieren eher darüber. Insgesamt kommt man zum Ergebnis, dass eine Mehrheit der berechtigten Mandatsträger*innen Freistellungen und/oder Verdienstausfallsregelungen nicht nutzen. Nach Einschätzung von Gehlen kommen hier unterschiedliche Gründe zur Geltung. Von als zu umständlich wahrgenommener Beantragung bis hin zu einer möglichst klein zu haltenden Aufmerksamkeitsschwelle. Gehlen vermutet, dass viele Mandatsträger*innen eher die flexible Arbeitszeit nutzen, um auf diese Weise bei ihren Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen keine zu große Wahrnehmung ihres kommunalpolitischen Engagements hervorzurufen. Die viel größere Problematik sehen die Forscher*innen indes in der Vereinbarkeit der multiplen Anforderungen von Familie, Beruf, Mandat und ggf. weiteres Ehrenamt. Woraus sich auch eine Erklärung für die wenig repräsentierten Alterskohorten zwischen 20 und 45 ableiten ließe.

An eine Möglichkeit diese Problematiken durch Änderung der Rahmenbedingungen zu verhindern oder ihr zu begegnen glauben die Forscher*innen allerdings nicht und machen daher auch keine Empfehlung zur Änderungen der Regelungen.

g.e.




[1] Gehlen

[3] Gehlen: Quelle: Mandatsträgerbefragung 2017; Erwerbstätige und Selbstständige; Städte n=755
Bevölkerung Mikrozensus 2010.