Gemeindefinanzierungsgesetz 2012 ist verfassungskonform

10.05.2016. Der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof in Münster hat heute die Verfassungsbeschwerden zahlreicher Städte und Gemeinden gegen einzelne Bestimmungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2012 (GFG 2012) zurückgewiesen. Die Kommunen hatten im Wesentlichen geltend gemacht: Der im GFG 2012 geregelte Finanzausgleich verletze sie in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Die im GFG 2012 festgesetzte Finanzausgleichsmasse sei insgesamt zu gering bemessen. Ferner verstoße die Verteilung der Finanzausgleichsmasse gegen das interkommunale Gleichbehandlungsgebot. Verschiedene Vorschriften führten zu einer Benachteiligung kleinerer Gemeinden des ländlichen Raums. Dies gelte insbesondere für die Bestimmungen, mit denen geregelt werde, wie die für Sozialausgaben anfallenden Kosten bei der Verteilung der Schlüsselzuweisungen zu berücksichtigen seien.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs Dr. Ricarda Brandts unter anderem aus:

Der Umfang der im Finanzausgleich 2012 insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel sei vertretbar bemessen worden. Gemäß Art. 79 Satz 2 der Landesverfassung NRW sei das Land zur Gewährleistung eines übergemeindlichen Finanzausgleichs nur im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit verpflichtet. Die Annahme des Gesetzgebers, bei einem Vergleich der Haushaltslage des Landes und der der Kommunen habe sich keine wesentliche Verbesserung zugunsten des Landes gegenüber dem Vorjahr gezeigt, auf die mit dem GFG 2012 hätte reagiert werden müssen, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Gesetzgeber sei im Übrigen zur Sicherstellung der für eine eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung erforderlichen finanziellen Mindestausstattung von Verfassungs wegen nicht gehalten, den notwendigen Ausgabenbedarf für die Erfüllung aller Pflichtaufgaben und eines Minimums an freiwilligen Aufgaben betragsmäßig abzuschätzen und einen solchen – absoluten – Betrag unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes den Kommunen zur Verfügung zu stellen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich nicht unter Rückgriff auf den unantastbaren Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts. Dies könne der Verfassungsgerichtshof auch mit Blick auf die bundesverfassungsrechtlich in Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie entscheiden, ohne zuvor eine Klärung dieser Frage durch das Bundesverfassungsgericht herbeizuführen.

Die vom Land im GFG 2012 zur Verfügung gestellten Finanzmittel seien nicht unter Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots auf die Kommunen verteilt worden. Die insoweit unter anderem maßgeblichen Regelungen zum Soziallastenansatz, Schüleransatz und Flächenansatz sowie die sog. Einwohnerveredelung im Rahmen des Hauptansatzes seien verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die gesetzgeberischen Entscheidungen für die Ausgestaltung der Verteilungsregelungen seien hinreichend durch finanzwissenschaftliche Gutachten abgesichert gewesen.

Dies gelte für den Soziallastenansatz auch mit Blick auf dessen weitere Höhergewichtung und die sich hieraus ergebenden Umverteilungswirkungen. Verwerfungen im kreisangehörigen Raum, die sich aus der Verortung des Soziallastenansatzes auf Gemeindeebene im Zusammenwirken mit der Mischfinanzierung der Kreise über eigene Schlüsselzuweisungen und eine pauschalierte Kreisumlage ergäben, seien angesichts der damaligen Erkenntnisse des Gesetzgebers für die Vergangenheit hinzunehmen. Seiner Pflicht, die Verteilungsproblematik angesichts der Höhergewichtung des Soziallastenansatzes gutachterlich überprüfen zu lassen, sei der Gesetzgeber zum damaligen Zeitpunkt hinreichend nachgekommen.

Beschwerdeführer waren die Gemeinden Alpen, Anröchte, Ascheberg, Bad Sassendorf, Everswinkel, Havixbeck, Hüllhorst, Hünxe, Hürtgenwald, Kalletal, Kranenburg, Lippetal, Marienheide, Metelen, Nachrodt-Wiblingwerde, Nordkirchen, Nordwalde, Nottuln, Ostbevern, Rödinghausen, Rosendahl, Saerbeck, Senden, Sonsbeck, Südlohn, Wadersloh, Wettringen, Wilnsdorf sowie die Städte Bedburg, Beverungen, Bornheim, Brakel, Breckerfeld, Brilon, Drensteinfurt, Dülmen, Emsdetten, Erftstadt, Fröndenberg, Halver, Herdecke, Hörstel, Höxter, Ibbenbüren, Königswinter, Leichlingen, Lemgo, Lichtenau, Linnich, Lippstadt, Lübbecke, Lüdinghausen, Meschede, Neuenrade, Nideggen, Niederkassel, Oelde, Olfen, Rahden, Rietberg, Sassenberg, Spenge, Steinfurt, Wermelskirchen, Willich, Xanten (VerfGH 19/13) und die Gemeinden Heek, Heiden, Legden, Raesfeld, Reken, Schöppingen sowie die Städte Ahaus, Bocholt, Borken, Gescher, Rhede, Stadtlohn, Velen, Vreden (VerfGH 24/13).