Kommunalinfo: Kommunale Handlungsmöglichkeiten in der Flüchtlingspolitik

13.02.2017. Es vergeht kein Tag, an dem nicht neue Vorschläge zur Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechtes in die öffentliche Diskussion eingebracht werden, insbesondere von Bundesinnenminister und  CSU-Parteivorsitzendem, aber auch vom Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion: Die Ausweisung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer, Auffanglager innerhalb und außerhalb der deutschen Grenzen, die Ausweitung der Kapazitäten und Verschärfung der Abschiebehaft. Dies setzt auch viele Räte und Kreistage unter Druck. Zudem gerät das Bleiberecht, das viele Abschiebungen verhindern kann, aus dem Blick. Für eine sachliche Einschätzung hat die Grüne NRW-Landtagsfraktion aktuelle Informationen zur Flüchtlingspolitik zusammengefasst.

Auch in vielen Räten und Kreistagen wird regelmäßig nach der Zahl der Abschiebungen vor Ort gefragt. Das setzt die Ausländerbehörden vor Ort oder im Kreis unter Druck. Dies zeigt sich besonders dann, wenn Verständnis nachlässt und die jahrelange bewährte Praxis, während laufender Petitionsverfahren von Abschiebungen Abstand zu nehmen und positive Entscheidungen und Voten der Härtefallkommission aufzunehmen, seltener angewandt wird.
Eine ergebnisoffene Diskussion der Behörden mit den Betroffenen, ihren Unterstützer*innen aus Flüchtlingsgruppen, caritativen Verbänden und Kirchen wird zunehmend schwieriger. Letztendlich scheitern durch Abschiebungen viele positive Bemühungen zur Integration von Einzelpersonen und ganzen Familien. Mitunter sind Menschen betroffen, die seit vielen Jahren hier leben und als integriert gelten. Dieses rigide Vorgehen verschreckt auch Arbeitgeber, die in der Regel nicht vertraut sind mit den komplexen Regeln des Aufenthaltsrechtes. Sie haben Geflüchtete – teils auch als Reaktion auf den öffentlichen Wunsch der Politik – eingestellt oder in Ausbildung genommen in der Annahme, dass diese bleiben können. Nun reagieren sie zurecht verärgert, wenn sie Mitarbeiter*innen oder Auszubildende aufgrund von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ohne Vorwarnung verlieren.
In der aufgeheizten Stimmung gerät das Bleiberecht aus dem Blick. Dabei gibt es bei der Prüfung des Einzelfalls durch die Ausländerbehörden durchaus Möglichkeiten, die einen weiteren Aufenthalt aufgrund humanitärer Aspekte oder erbrachter Integrationsleistungen ermöglichen. In NRW existieren dazu mehrere Erlasse des Innenministeriums. Dies sind insbesondere:
-          Anwendungshinweise zu § 25a Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden),
-          Hinweise zur Prüfung eines Bleiberechts nach § 25b Aufenthaltsgesetz (Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration für langjährig geduldete Personen), enthalten im Erlass 121-39.13.01-1-16-132(2604) vom 21. Juni 2016,
-          Anwendungshinweise zu den Anforderungen an ein Aufenthaltsrecht aus § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (Erlass 15-39.07.17-1-12-023(2603) vom 2. Juli 2012)
-          Regelungen im Zusammenhang mit § 60a Abs. 2 Satz 4ff. Aufenthaltsgesetz zum Anspruch auf Duldung zum Zweck der Ausbildung (Erlass 122-39.06.13-2-230(2602) vom 21. Dezember 2016).
Um den durch die Abschieberhetorik verursachten Kreislauf zu durchbrechen und einen an der Sache und am Einzelfall orientierten Dialog auf der kommunalen Ebene (wieder) zu ermöglichen, sollen zwei Instrumente für die Arbeit vor Ort vorgestellt werden:
1.      Die Ausländerrechtliche Beratungskommission im Kreis Unna und
2.      ein fraktionsübergreifender Antrag zu „Bleiberechtsmöglichkeiten für langjährig geduldete Menschen“ aus Köln
Die Ausländerrechtliche Beratungskommission im Kreis Unna
Im Kreis Unna hat sich über Jahre die Einrichtung einer ausländerrechtlichen Beratungskommission als Vertrauensinstanz zwischen der Verwaltung, den Betroffenen und den sie betreuenden Einrichtungen bewährt. Das Modell wurde zwischenzeitlich auch von anderen Kreisen und Kommunen übernommen.
Neben des großen Vorteils einer Kommunikationsplattform für alle Beteiligten ist der fachliche Austausch – außerhalb einer öffentlich geführten Auseinandersetzung – besonders wichtig, um zu einer von allen Seiten akzeptierten Lösung zu kommen.
Kernpunkte sind hierbei:
-          Die Ausländerrechtliche Beratungskommission ist wichtiger Ansprechpartner für Ausländerinnen und Ausländer, für die ausländerrechtliche Maßnahmen zu einer besonderen Härte führen.
-          Die Ausländerrechtliche Beratungskommission entscheidet selbständig, welche Anträge angenommen werden.
-          Anträge haben keine aufschiebende Wirkung.
-          Die Sitzungen sind nichtöffentlich.
-          Die Ausländerrechtliche Beratungskommission hat keine selbstständige Entscheidungsbefugnis.
Der seinerzeitige Antrag der GRÜNEN Kreistagsfraktion sowie die Beratungsdrucksache können über die Grüne Fraktion NRW erfragt werden. Weitergehende Infos gibt es auch bei Herbert Goldmann, MdL
Antrag „Bleiberechtsmöglichkeiten für langjährig geduldete Menschen in Köln“
Außerdem möchte die Grüne Fraktion NRW auf einen Antrag im Rat der Stadt Köln aufmerksam machen, mit dem die Verwaltung aufgefordert wird, den oben beschriebenen rechtlichen Spielraum zu nutzen, um langjährig geduldeten Menschen eine sichere Aufenthaltsperspektive zu schaffen.
Der Antrag wurde gemeinsam von SPD, CDU, GRÜNEN, Die Linke und den Gruppen GUT und Piraten eingebracht und am 9. Januar mit breiter Mehrheit im Hauptausschuss beschlossen (siehe auch die Pressemitteilung der Kölner Grünen). Einen Musterantrag nach Kölner Vorbild gibt es ebenfalls bei der Grünen Fraktion. Diese plant auch am 29. März 2017, 18 Uhr im Landtag NRW eine Veranstaltung zu verschiedenen Aspekten des Ausländerrechts, unter anderem zur Beratungskommission des Kreises Unna, zur Arbeit des Petitionsausschusses im Landtag und zur Härtefallkommission.