Wohnungspolitik ist weitgehend wirkungslos

4.10.2018 Wohnungsnot und bezahlbare Mieten gehören für viele Bürger/innen zu den wichtigsten politischen Themen.
Wohngeld, finanzielle Förderung von Sozialwohnungen und die Mietpreisbremse – das sind die drei zentralen Instrumente, mit denen die Bundesregierung derzeit versucht, das Wohnen auch für Menschen mit geringeren Einkommen bezahlbar zu machen. Von den gesetzten Zielen ist man jedoch aus ganz unterschiedlichen Gründen weit entfernt, ergibt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Um eine bezahlbare Wohnraumversorgung zu erreichen ist die Förderung von Sozialwohnungen grundsätzlich wirksam. Jedoch ist das aktuelle Fördervolumen nach Ansicht der Autoren der Studie nach gut zwei Jahrzehnten Flaute im öffentlichen Wohnungsbau viel zu niedrig.

In den zehn größten deutschen Städten, in denen die Wohnungsnot besonders ausgeprägt ist, würde es beispielsweise beim aktuellen Förderumfang rund 185 Jahre dauern, um die aktuelle Lücke an günstigen Wohnungen zu schließen. Die Mietpreisbremse wiederum ist bislang durch zahlreiche Ausnahmen und praktische Defizite in ihrer Wirkung beschränkt. Bei konsequenter Anwendung müssten Vermieter im Durchschnitt ihre Aufschläge bei Neuvermietung um 17 Prozent reduzieren. Für viele Mittelschichthaushalte würde dies zu einer spürbaren Entlastung führen. Am wenigsten soziale Wirkung attestieren die Wissenschaftler dem Wohngeld: Es erreicht nur relativ wenige Haushalte, die zudem oft trotzdem noch eine prekär hohe Mietbelastungsquote aufweisen. Zudem hat es keine direkte dämpfende Wirkung auf die Mietentwicklung.

In den Großstädten fehlen rund 1,9 Millionen günstige Wohnungen.
Besonders groß ist die Versorgungslücke bei Alleinlebenden an oder unter der Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren Einkommens, die maximal eine Nettokaltmiete von 5 Euro pro Quadratmeter bezahlen können. Doch auch jenseits des harten Kerns der Wohnungsnot müssen viele Menschen große finanzielle Lasten schultern: Insgesamt gaben bereits 2014, dem aktuellsten Jahr, aus dem dazu Mikrozensus-Daten vorliegen, rund 40 Prozent der Großstadthaushalte mindestens 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete und Nebenkosten – ohne Heizung – aus. 30 Prozent Wohnkosten gelten gerade für Mieter mit kleinen Einkommen als Belastungsgrenze.

„Instrumente neu gewichten“ – mehr Geld für soziale und gemeinnützige Wohnförderung
Gemessen an diesen Problemen leisteten die untersuchten drei Hauptinstrumente der Wohnungspolitik in den deutschen Großstädten heute „nur einen sehr eingeschränkten Beitrag für die Versorgung der Haushalte mit den größten sozialen Wohnversorgungsbedarfen“, konstatieren die Forscher. Das liege wesentlich an einer problematischen Gewichtung, bei der das Instrument mit dem größten Potenzial – der Aufbau eines ausreichend großen, dauerhaft preisgedämpften Wohnungsbestands wie es ihn beispielsweise in Wien gebe – mit vergleichsweise wenig Geld ausgestattet sei, erklärt Stadtsoziologe Holm: Derzeit fließen in den sozialen Wohnungsbau deutschlandweit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Ebenso viel wird für das Wohngeld ausgegeben. Für die Übernahme von Wohnkosten im Rahmen von Hartz-IV-Leistungen gibt der Staat bundesweit gleichzeitig etwa 15 Milliarden Euro aus. „Die öffentliche Hand übernimmt damit für rund 17 Milliarden Euro im Jahr Ausfallbürgschaften auf einem heiß laufenden Markt. Das Geld fließt zum großen Teil an kommerziell agierende Vermieter. Man kann das als eine Wirtschaftsförderung verstehen, die immobilienwirtschaftliche Erträge unabhängig von der Nachfrage und Einkommenssituation ermöglicht. Hier wird der sonst so gepriesene Marktmechanismus einseitig zu Gunsten privater Vermieter manipuliert. Sinnvoller wäre eine verstärkte öffentliche Investition in den Aufbau von dauerhaft leistbaren Wohnungsbeständen“, sagt der Forscher.

Um eine soziale Wohnungsversorgung sicher zu stellen, ist nach Analyse der Wissenschaftler der langfristige Aufbau von dauerhaft mietpreis- und belegungsgebundenen Wohnungsbeständen sowie ein konsequenter Schutz von Bestandsmietverhältnissen notwendig. Wesentliche Faktoren seien eine Stärkung gemeinnütziger Vermieter sowie ein Mix von steuerlichen Begünstigungen, klassischer Förderung und einer preisgünstigen Vergabe von öffentlichen Grundstücken in Erbbaupacht.

Foto: Rainer Sturm  / pixelio.de

Zwei aktuelle wohnungspolitische Studien:

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_093_2018.pdf

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ministerium/Veroeffentlichung-Wissenschaftlicher-Beirat/gutachten-wissenschaftlicher-beirat-soziale-wohnungspolitik.pdf?__blob=publicationFile&v=4