Gefährdet Frauenschwund die Demokratie?

17.12.2020 Fremdenfeindliche und demokratieskeptische Einstellungen kommen in allen sozialen Gruppen und Regionen Europas vor. Wir finden sie aber vermehrt in ländlichen Regionen. Katja Salomo, Gastforscherin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), hat in einer Untersuchung für Thüringen aufgezeigt, dass es demografische Entwicklungen wie Abwanderung, Alterung und Frauenschwund sind, die die unterschätzte Gefahr für eine offene Gesellschaft darstellen.
Bisherige Erklärungen für rechte Einstellungen verwiesen darauf, dass Menschen mit  liberaleren Einstellungen häufiger ländliche zugunsten städtische Gegenden verlassen. Auch gibt es auf dem Land weniger Möglichkeiten, Kontakt mit Zugewanderten zu haben, um so mögliche Vorbehalte abzubauen. Andererseits tragen die Städte die Hauptlast bei der Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern. In sozial schwachen Stadtteilen mit hohem Ausländeranteil kann höhere Diversität auch zu sozialen Spannungen und stärkerer Intoleranz führen. Das Zusammentreffen von ökonomisch prekären Lagen und starker Zuwanderung in Städten stand lange Zeit im Fokus der Forschung und der öffentlichen Debatte.

Die Besonderheiten ländlicher Gebiete traten dadurch in den Hintergrund. Forschung und Öffentlichkeit sind nun damit konfrontiert, dass die politische Kultur in überwiegend ländlich  geprägten Gebieten zur Herausforderung für Demokratien geworden ist.
Ländlich geprägte Gebiete unterscheiden sich von urbanen Regionen zunehmend durch problematische demografische Entwicklungen: hohe Abwanderung, alternde Bevölkerung, hohe Überhänge von Männern im jungen und mittleren Erwachsenenalter. Diese demografische Homogenität kann ähnlich wie eine ungünstige wirtschaftliche Entwicklung subjektiv empfundene Benachteiligung und Abstiegsängste erzeugen.
Die Studie zeigt auf, wie sich hohe Abwanderung destabilisierend auf das soziale Geflecht auswirken kann. Fehlen junge Menschen in Regionen mit stark alternder Bevölkerung, brechen Freizeitangebote weg. Männer können sich zurückgelassen fühlen, wenn die Suche nach einer Partnerin durch die demografische Situation vor Ort erschwert ist. Das entstehende Gefühl der Benachteiligung kann zu intoleranten und demokratieskeptischen Einstellungen in ländlichen Regionen führen.

Kurzfassung der Studie:
https://www.wzb.eu/system/files/docs/sv/iuk/002-Artikel-Salomo.pdf

Foto: pixabay.com/tookapic