OVG zu Verdienstausfall und anzuerkennende Arbeitszeit

11.02.2019 Mit einer zum Teil weitreichenden Begründung zeigt der 15. Senat des Oberverwaltungsgericht NRW grundlegende Erfordernisse und Grenzen zum Anspruch von Mandatsträgern auf Verdienstausfall auf. Die Entscheidung des OVG in Münster aus dem November 2018 zum Verdienstausfall bei der Mandatsausübung beinhaltet folgende Leitsätze:
1. Arbeitszeit im Sinne des § 45 Abs. 1 GO NRW ist die Zeit, während der der Mandatsträger unter normalen Umständen seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen wäre, wenn er nicht sein Mandat ausgeübt hätte. Dies muss der Mandatsträger plausibel darlegen.
2. Bei der Feststellung der Arbeitszeit sind allein die individuellen Verhältnisse des Mandatsträgers ausschlaggebend. Das Gesetz bietet keinen Anknüpfungspunkt dafür, auf etwaige Üblichkeiten der jeweiligen Berufsgruppe abzustellen.
3. Die Mandatsausübung ist während der Arbeitszeit nur erforderlich im Sinne des § 45 Abs. 1 GO NRW, wenn die Arbeit nicht – etwa aufgrund flexibler Arbeitszeitregelungen – nachgeholt werden kann. Die Verpflichtung zur Nacharbeit besteht nicht grenzenlos; die Nachholung der Arbeit muss dem Mandatsträger vielmehr zumutbar sein.

Urteil vom 06.11.2018 -15 A 132/18

Rechtssicherheit schafft das OVG NRW in Fragen des Verdienstausfalls.  
Die Beteiligten stritten um die Bewilligung von Verdienstausfallersatz wegen der kommunalpolitischen Tätigkeit des Klägers. Der Kläger ist selbstständiger Architekt. Er gehört dem Rat der Stadt I. und mehreren seiner Ausschüsse an. Zudem ist er Mitglied der Bezirksvertretung und dort stellvertretender Bezirksbürgermeister. Der Kläger beantragte die Bewilligung von Verdienstausfallersatz wegen mandatsbedingter Termine im Zeitraum vom August bis Dezember 2016. Die Beklagte Gemeinde gewährte dem Kläger Leistungen, jedoch ließ sie die vom Kläger angegebenen Zeiten nach 19 Uhr unberücksichtigt. Zur Begründung hatte der Kläger ausgeführt: Bei der Bewilligung von Verdienstausfallersatz sei auf die individuellen Arbeitszeiten des einzelnen Ratsmitglieds abzustellen, die in seinem Fall an den Tagen Montag bis Freitag bis 20 Uhr dauerten und auch den Samstag umfassten. Die Nachholbarkeit von Arbeitsstunden könne kein Kriterium sein, weil theoretisch jede ausgefallene Arbeitszeit zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt werden könne. Es sei auch von einem Verdienstausfall infolge der Mandatstätigkeit auszugehen, da der Selbstständige seinen Verdienst durch den Einsatz seiner Arbeitszeit erziele.

Der Kläger beantragte seinen Verdienstausfallersatz unter Berücksichtigung der Zeiten zwischen 8 und 13 Uhr sowie 14 und 20 Uhr (montags bis freitags) bzw. zwischen 10 und 13 Uhr sowie 14 und 19 Uhr (samstags) einschließlich der in diese Zeiträume fallenden Hin- und Rückfahrten zu bewilligen.

Die Beklagte Kommune beantragte die Klage abzuweisen: Als regelmäßige Arbeitszeit sei nur diejenige Arbeitszeit anzusehen, während der jemand gewöhnlich dem jeweiligen Berufsfeld entsprechend Arbeit leiste. Die Arbeitszeit von Selbstständigen ende im Allgemeinen um 19 Uhr, was auch für die Berufsgruppe eines Architekten als gewöhnliche Arbeitszeit angesehen werden könne. Erkenntnisse oder Begründungen, die im Falle des Klägers die Anerkennung späterer Termine als Ausnahmefall ermöglichen würden, lägen nicht vor. Der Steuerberater des Klägers habe diesem lediglich Arbeitszeiten von montags bis freitags bescheinigt; zu den samstäglichen Arbeitszeiten seien im Klageverfahren unterschiedliche Angaben gemacht worden. Die Arbeitszeiten selbstständiger Mandatsträger seien zudem frei gestaltbar, so dass sie an die Mandatstätigkeit angepasst werden könnten, um Verdienstausfall durch Vor- oder Nacharbeiten zu vermeiden. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass infolge der Mandatstätigkeit tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden sei.

Mit Urteil vom 1. Dezember 2017 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bei den Zeiten von 19 bis 20 Uhr an Werktagen und von 10 bis 13 Uhr und 14 bis 19 Uhr an Samstagen handle es sich um Arbeitszeiten des Klägers. Nach dem hier anzuwendenden § 45 Abs. 1 GO NRW in der ab dem 29. September 2012 gültigen Fassung seien als Arbeitszeit sämtliche Zeiten berücksichtigungsfähig, in denen der jeweilige Mandatsträger tatsächlich Arbeit verrichte. Eine Nichtberücksichtigung von Arbeitszeiten, die tatsächlich über das allgemein Übliche hinausgingen, was beim Kläger an Werktagen unbestritten der Fall sei, sei unzulässig.

Auch die Hauptsatzung der Beklagten, wonach die Berücksichtigung der Arbeitszeiten von selbstständigen Mandatsträgern im Regelfall unter Zugrundelegung einer werktäglichen Regelarbeitszeit mit Arbeitsende um 19 Uhr erfolge und darüber hinausgehende Arbeitszeiten durch den Antragsteller besonders zu begründen und glaubhaft zu machen seien, stehe einem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Ein Ausnahmefall im Sinne der Satzung liege jedenfalls dann vor, wenn die tatsächlichen Arbeitszeiten eines Mandatsträgers – wie an Werktagen hier – unbestritten über 19 Uhr hinausgingen. Hinsichtlich der samstäglichen Arbeitszeiten des Klägers habe dieser die in Rede stehenden Zeiten von 10 bis 13 und 14 bis 19 Uhr im Kern konsistent und überzeugend als tatsächliche Arbeitszeiten dargestellt und die fehlende Erwähnung der Arbeitszeiten an Samstagen seitens des Steuerberaters nachvollziehbar damit begründet, dass dieser mandatsbedingte Termine an Wochenenden nicht im Blick gehabt habe. Die Mandatsausübung sei auch während der Arbeitszeit erforderlich gewesen. Ein Ersatzanspruch sei nur dann ausgeschlossen, wenn die mandatsbedingt versäumte Arbeitszeit für den Betreffenden „in adäquater Weise“ nachholbar sei. Hieran fehle es jedenfalls bei solchen selbstständig tätigen Ratsmitgliedern, deren Arbeitsbelastung – wie beim Kläger – noch deutlich über derjenigen einer herkömmlichen Vollzeitbeschäftigung liege. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Kläger infolge seiner mandatsbedingten Termine tatsächlich ein Verdienstausfall entstanden sei.

Zur Begründung ihrer durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor: Das Verwaltungsgericht habe auch über Zeiträume entschieden, die zwischen ihr und dem Kläger nicht streitig gewesen seien. Streitig seien nur Zeiten nach 19 Uhr (montags bis freitags) gewesen. Für weitere Zeiträume bestehe auf Seiten des Klägers kein Rechtsschutzbedürfnis. Samstägliche Termine habe der Kläger mit seinen nicht geltend gemacht. Für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall zu entschädigen sei, sei ihre Hauptsatzung heranzuziehen. Demnach hätte der Kläger für die Zeit nach 19 Uhr seine Arbeitszeiten besonders begründen und glaubhaft machen müssen. Für die Geltendmachung von Verdienstausfallersatz reiche es daher nicht aus, an einer Sitzung teilzunehmen, die nach Auffassung des Klägers in seiner Arbeitszeit liege. Zudem habe das Verwaltungsgericht die Neufassung des § 45 GO NRW unzutreffend auslegt. Die Neuerung des § 45 GO NRW habe ausweislich der Begründung des Landesgesetzgebers vorrangig die Haushaltstätigkeit gemäß § 45 Abs. 3 GO NRW neu bewertet. Die Anforderungen an einen Ersatzanspruch für Verdienstausfall im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit seien hiervon aber unberührt geblieben. Bei Selbstständigen hänge die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs wegen Verdienstausfalls entscheidend von der Nachholbarkeit der Arbeit ab. Der Kläger müsse seine Arbeitszeiten vor dem Hintergrund der Ehrenamtlichkeit der Mandatsausübung so einteilen, dass eine Kollision von Ratstätigkeit und seiner freiberuflichen Tätigkeit vermieden werde. Der Kläger gebe auf seinem Firmenkopfbogen keine festen Bürozeiten o.ä. an, er vereinbare Termine damit offenbar frei. Darüber hinaus sei der Zeitaufwand für die Mandatsausübung an Werktagen nach 19 Uhr derart gering, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, die durch die Mandatsausführung verloren gegangene Arbeitszeit durch Vor- beziehungsweise Nacharbeit zu kompensieren. Sinn und Zweck eines Ehrenamtes sei es grundsätzlich, für geleistete Arbeit keine Vergütung zu erhalten. Eine ehrenamtliche Tätigkeit solle auch als solche wahrgenommen und nicht über die „gesicherte Verdienstausfallentschädigung" zum „Hauptberuf" werden. Wenn der Kläger eigenen Angaben zufolge bereits durch seinen „Hauptberuf" zeitlich ausgelastet sei, stelle sich die Frage, warum er zusätzlich eine Vielzahl von Ehrenämtern bekleide. Schließlich sei auf das Ungleichgewicht im Verhältnis zu Arbeitnehmern hinzuweisen. Gemäß § 44 Abs. 2 GO NRW werde bei Arbeitnehmern mit Anspruch auf Gleitzeit die Zeit der Ausübung des Mandats innerhalb dieses Arbeitszeitrahmens zur Hälfte auf ihre Arbeitszeit angerechnet. Demnach sei der Ersatz des Verdienstausfalles nach § 45 GO NRW auf die Hälfte beschränkt.

Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Ihm stehe Verdienstausfall für Zeiten der Mandatsausübung zwischen 19 und 20 Uhr zu. Soweit die Beklagte fehlende Nachweise rüge, hätte sie diese im Verfahren gegebenenfalls anfordern müssen. Zuvor habe sie jahrzehntelang Verdienstausfall auch für Zeiten nach 19 Uhr gezahlt und wisse damit, dass er regelmäßig auch nach 19 Uhr arbeite. Auch seine Ehefrau könne bestätigen, dass er regelmäßig in den Zeiten nach 19 Uhr seinen freiberuflichen Tätigkeiten nachgehe, wenn er nicht durch Sitzungen gehindert sei. Die regelmäßige Arbeitszeit sei für jeden kommunalen Mandatsträger einzeln zu ermitteln. Es gebe keine fiktive, allgemein gültige Begrenzung der regelmäßigen Arbeitszeit. Die Nachholbarkeit von Arbeitsleistungen könne nicht das entscheidende Kriterium sein, da theoretisch jede ausgefallene Arbeitszeit zu einem anderen Zeitpunkt nachgeholt werden könne. Die Annahme, ein selbstständig Tätiger könne ausgefallene Arbeitszeiten in den späten Abendstunden nachholen, sei ein Zirkelschluss, wenn Sitzungstermine genau in diesen Zeitraum fielen, der angeblich zur Nacharbeit zur Verfügung stehe. Auch davon abgesehen bestehe für ihn keine Möglichkeit, die Zeiten, an denen er aufgrund der Mandatswahrnehmung nicht arbeiten könne, nachzuholen. Er arbeite ohnehin bereits samstags und an Wochentagen bis nach 19 Uhr. Er wäre sonst gezwungen, an Zeiten um Mitternacht oder sonntags zu arbeiten, was ihm aber nicht zugemutet werden könne. Die Wahrnehmung kommunaler Mandate führe bei selbstständig Tätigen zu ganz erheblichen beruflichen Nachteilen, die weder durch die Aufwandspauschale noch durch die Verdienstausfallzahlung an den Mandatsträger wirklich ausgeglichen würden. Er habe in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, dass er Aufträge habe ablehnen müssen, die er bei weiterer ihm zur Verfügung stehender Zeit hätte annehmen können.

Zur Entscheidung des OVG: Die Berufung der Gemeinde ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger für den strittigen Zeitraum Verdienstausfallersatz unter Berücksichtigung der Zeiten zwischen 8 und 13 Uhr sowie 14 und 20 Uhr (montags bis freitags) bzw. zwischen 10 und 13 Uhr sowie 14 und 19 Uhr (samstags) einschließlich der in diese Zeiträume fallenden Hin- und Rückfahrten zu bewilligen.

Dabei versteht der Senat sowohl den erstinstanzlichen Klageantrag als auch den Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils dahingehend, dass eine Entscheidung nur für die Zeiten der Mandatsausübung begehrt wurde und auch ergangen ist, die zwischen den Beteiligten im vorliegenden Verfahren im Streit standen, d.h. die Zeiten von 19 bis 20 Uhr an den Tagen von Montag bis Freitag. Dieses Verständnis drängt sich schon deshalb auf, weil der berücksichtigungsfähige zeitliche Rahmen zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist. Zudem ergibt sich dies aus der erstinstanzlichen Streitwertentscheidung, der allein die streitigen Termine (im Umfang von ca. 10 Wochenstunden) zugrunde gelegt wurden. Der Tenor des erstinstanzlichen Urteils ist vor diesem Hintergrund dahin zu verstehen, dass das Verwaltungsgericht den gesamten berücksichtigungsfähigen Zeitrahmen lediglich zur Klarstellung mit aufgenommen hat.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistung von Verdienstausfallsersatz über die von der Beklagten bereits gewährten Zahlungen hinaus auch für Zeiten der Mandatsausübung an Wochentagen zwischen 19 bis 20 Uhr einschließlich der in diese Zeiträume fallenden Hin- und Rückfahrten.

Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 45 Abs. 1 GO NRW. Hiernach hat ein Ratsmitglied, ein Mitglied einer Bezirksvertretung oder ein Mitglied eines Ausschusses Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles, der ihm durch die Mandatsausübung entsteht, soweit sie während der Arbeitszeit erforderlich ist. Entgangener Verdienst aus Nebentätigkeiten und Verdienst, der außerhalb der Arbeitszeit hätte erzielt werden können, bleibt außer Betracht. Der Kläger ist Ratsmitglied und Mitglied der Bezirksvertretung. Er macht den Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall wegen seiner Mandatsausübung geltend. Zur Ausübung des Mandats gehören gemäß § 44 Abs. 2 Satz 2 und 3 GO NRW Tätigkeiten, die mit dem Mandat in unmittelbarem Zusammenhang stehen oder auf Veranlassung des Rates, der Bezirksvertretung oder des Ausschusses erfolgen. Auf Veranlassung des Rates erfolgt auch eine Tätigkeit als vom Rat entsandter Vertreter der Gemeinde in Organen und Gremien von juristischen Personen und Vereinigungen des privaten oder öffentlichen Rechts sowie als Stellvertreter des Bürgermeisters. Die Rats-, Ausschuss-, und Fraktionssitzungen, die der Kläger in seinen Anträgen angegeben hat, fallen unproblematisch unter diese Definition.

Die Mandatsausübung fand während der Arbeitszeit des Klägers im Sinne des § 45 Abs. 1 GO NRW statt:
a) Arbeitszeit im Sinne des § 45 Abs. 1 GO NRW ist die Zeit, während der jemand unter normalen Umständen, wenn er nicht sein Mandat ausgeübt hätte, seiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen wäre, d.h. die Zeiten, an denen nach den Arbeitsverhältnissen des jeweiligen Mandatsträgers tatsächlich Arbeit geleistet wird.

Nach alter Gesetzeslage konnte ein Ratsmitglied nur dann Verdienstausfallentschädigung beanspruchen, wenn die Mandatsausübung während der regelmäßigen Arbeitszeit erforderlich war. Die regelmäßige Arbeitszeit war individuell zu ermitteln; dies galt auch für die Hausarbeit im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3. Entgangener Verdienst aus Nebentätigkeiten und Verdienst, der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit hätte erzielt werden können, blieb außer Betracht (§ 45 Abs. 1 Satz 1 GO NRW a.F.).

Als regelmäßige Arbeitszeit war dabei nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts diejenige Arbeitszeit anzusehen, während der jemand für gewöhnlich und dem jeweiligen Berufsbild entsprechend tatsächlich Arbeit leisten musste. Auch für den Bereich der Haushaltsführendenentschädigung folgerte das erkennende Gericht aus dem früheren Gesetzeswortlaut, dass Haushaltsführenden nur dann eine Entschädigung zu gewähren war, wenn die Mandatswahrnehmung in die regelmäßige Arbeitszeit der Haushaltsführenden fiel, und dass die Gemeinde insoweit Ermittlungen anzustellen hatte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 15 A 79/10).

Auf diese Rechtsprechung hat der Landtag mit dem Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes reagiert, indem das Wort „regelmäßig“ in § 45 Abs. 1 GO NRW und die Bestimmung über die individuelle Ermittlung der gewöhnlichen Arbeitszeit in § 45 Abs. 1 Satz 2 GO NRW a.F. ersatzlos gestrichen wurden.

Zur Begründung wurde im Gesetzentwurf – LT-Drs. 16/879, S. 5 – ausgeführt: Mit Beschluss vom 05.10.2010 (15 A 79/10) hat das OVG NRW klargestellt, dass aufgrund des § 45 Abs. 1 Satz 2 GO die regelmäßige Arbeitszeit auch bei der Hausarbeit ermittelt werden muss und den Haushaltsführenden nur dann eine Entschädigung zu gewähren ist, wenn die Mandatswahrnehmung in die regelmäßige Arbeitszeit der Haushaltsführenden fällt. Die gesetzliche Regelung ist spätestens mit diesem Beschluss als sozialpolitisch fragwürdig kritisiert worden. Haushaltstätigkeit in einer Familie mit (mehreren) Kindern lässt sich i.d.R. nicht bestimmten Zeitkontingenten zuordnen, sie durchzieht den gesamten Tag. Die derzeitige Fassung des § 45 Abs. 1 GO dürfte deshalb in der Praxis dazu führen, dass die Zahlung von Haushaltsentschädigung kaum in Betracht kommt.

Dies widerspricht der sozialpolitischen Zielstellung der Haushaltsentschädigung für Mandatsträger:

  • Es handelt sich bei der Haushaltsführung um eine geldwerte Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung.
  • Durch die Zahlung der Haushaltsentschädigung wird die Haushaltsleistung als gleichwertig mit einer sonstigen Erwerbstätigkeit anerkannt.
  • Die Haushaltsentschädigung ist Ausdruck der (Frauen-) Gleichberechtigung, insbesondere der staatlichen Förderpflicht der Gleichberechtigung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG.

Zum Erhalt der Haushaltsentschädigung ist deshalb eine gesetzliche Korrektur erforderlich. Mit der Neuregelung wird die Bindung der Hausarbeit an die "regelmäßige Arbeitszeit" in § 45 Abs. 1 Satz 2 GO aufgegeben. Es wird nicht weiter der in der Vergangenheit kaum zu realisierende Anspruch erhoben, diese individuell zu ermitteln.“ Daraus dürfte zu folgern sein, dass dem Haushaltsführenden jeder Zeitverlust durch Mandatstätigkeit zu ersetzen ist. Welche Konsequenzen der Wegfall des Erfordernisses der „regelmäßigen“ Arbeitszeit und des Erfordernisses der individuellen Ermittlung in § 45 Abs. 1 GO NRW für andere Gruppen von Mandatsträgern, insbesondere selbstständig Tätige haben sollte, wurde in der Gesetzesbegründung nicht angesprochen.

Denkbar wäre insoweit etwa, dass auf die Ermittlung der jeweiligen Arbeitszeit des selbstständig tätigen Mandatsträgers verzichtet und Verdienstausfallersatz allein aufgrund des Umstandes gezahlt wird, dass jede Zeit einer Mandatsausübung hypothetisch für Arbeit zur Verfügung gestanden hätte. Dies liefe jedoch auf eine Vergütung oder Alimentierung der Mandatsausübung hinaus und widerspräche Sinn und Zweck des Verdienstausfallersatzes, lediglich konkrete Nachteile aufgrund der Mandatsausübung zu verhindern. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Überlegungen zur Haushaltsführendenentschädigung nicht 1:1 auf den Verdienstausfallersatz für Selbstständige übertragen lassen. Maßgeblicher Grund für den Wegfall des Erfordernisses der „regelmäßigen“ Arbeitszeit war nach den oben zitierten Ausführungen der Umstand, dass sich bei Haushaltstätigkeiten eine regelmäßige Arbeitszeit im Sinne eines durchgehenden, klar von Freizeit abgrenzbaren Zeitraums nicht feststellen lässt, weil die Führung eines Haushaltes im Wesentlichen rund um die Uhr stattfindet. Diese Situation ist bei Selbstständigen insoweit anders als in deren Tages- und Wochenverlauf zwischen Zeiträumen der Arbeitstätigkeit und der Freizeit unterschieden werden kann. Zwar steht dem Selbstständigen im Ergebnis theoretisch auch der gesamte Tag für seine berufliche Tätigkeit zur Verfügung; die Tatbestandsvoraussetzung der „Arbeitszeit“ liefe aber leer, wenn letztlich jede Zeit des Tages als – potentielle – Arbeitszeit betrachtet würde. Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber auch für selbstständig Tätige im Ergebnis auf eine Ermittlung der Arbeitszeit vollständig verzichten wollte.

Ebenso wenig ist aus der Streichung des Wortes „regelmäßig“ in § 45 Abs. 1 Satz 1 GO NRW zu folgern, dem Mandatsträger sei die Berufung auf eigene Regelmäßigkeiten zu versagen und von ihm eine detaillierte Darlegung zu verlangen, welche konkreten Tätigkeiten er vorgenommen hätte, wenn er im fraglichen Zeitraum nicht mandatsbedingt abwesend gewesen wäre. Dieses Verständnis widerspräche völlig dem Sinn der Neuregelung, Bürokratie zu verringern und die Anerkennung der Arbeitszeiten generell zu erleichtern. Durch den Verzicht auf die „Regelmäßigkeit“, mit der der Gesetzgeber die Situation der Haushaltsführenden erleichtern wollte, sollten jedenfalls nicht die Anforderungen an die berufstätigen Mandatsträger verschärft werden. Das Gesetz in seiner aktuellen Fassung bietet auch keinen Anknüpfungspunkt dafür, auf etwaige Üblichkeiten der jeweiligen Berufsgruppe abzustellen.

Individuellen Verhältnisse des Mandatsträgers beachten
Vielmehr sind allein die individuellen Verhältnisse des Mandatsträgers ausschlaggebend. Dies wird auch der Situation von selbstständig Tätigen eher gerecht als eine ganze Berufsgruppen betrachtende Feststellungen; der Selbstständige – gerade auch der Freiberufler – ist in der Gestaltung seiner Berufstätigkeit frei; insoweit kommt es für seine individuelle Tätigkeit nicht darauf an, welche Arbeitszeiten andere vergleichbare Freiberufler haben. Damit reicht es für die Gewährung von Verdienstausfallersatz einerseits nicht aus, dass der Mandatsträger hypothetisch stets hätte arbeiten können, wenn er nicht sein Mandat ausgeübt hätte; andererseits muss er aber nicht darlegen, welche konkreten Tätigkeiten er in einem bestimmten Zeitraum ausgeübt hätte. Zu fordern ist allein, dass der Mandatsträger plausibel macht, dass er in Zeiten, für die er Verdienstausfall begehrt, normalerweise gearbeitet hätte.
Dies zugrunde gelegt, fielen auch die Termine zwischen 19 Uhr und 20 Uhr in die Arbeitszeit des Klägers. Er hat plausibel und konsistent vorgetragen, dass er üblicherweise wochentags zwischen 8 Uhr und 20 Uhr (mit einer Pause zwischen 13 Uhr und 14 Uhr) seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit nachgeht. Dies hat er durch eine Erklärung seiner Ehefrau und eine Bescheinigung seines Steuerberaters vom 20. Juni 2016 glaubhaft gemacht. Die Beklagte selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, sie habe keinen Zweifel, dass der Kläger in den von ihm angegebenen Zeiträumen üblicherweise seiner selbstständigen Tätigkeit nachgehe. Die Angaben des Klägers sind damit unstreitig.

b) Der Gewährung des Verdienstausfalls steht auch nicht der Hauptsatzung der Beklagten entgegen. Hiernach erfolgt die Berücksichtigung der Arbeitszeiten von selbstständigen Mandatsträgern im Regelfall unter Zugrundelegung einer werktäglichen Regelarbeitszeit mit Arbeitsende um 19 Uhr. Darüber hinausgehende Arbeitszeiten sind durch den Antragsteller besonders zu begründen und glaubhaft zu machen. Ungeachtet der Frage, ob § 45 GO NRW für eine solche Regelung überhaupt Raum bietet, findet sich – wie oben ausgeführt – in § 45 Abs. 1 Satz 1 GO NRW kein Anhaltspunkt (mehr) für eine die Gepflogenheiten einer Berufsgruppe ins Auge nehmende Betrachtungsweise. Eine Regelung wie in § 7 Abs. 3 Hauptsatzung kann damit jedenfalls nicht den individuellen Anspruch aufgrund von Regelmäßigkeiten der Berufsgruppe einschränken. Zudem ist nicht ersichtlich, auf welcher empirischen Grundlage die Beklagte davon ausgeht, Selbstständige arbeiteten in der Regel (nur) bis 19 Uhr. Die vielfältigen Bereiche, in denen Selbstständige tätig sind, lassen eine allgemeingültige Aussage über das tägliche Arbeitsende kaum zu. Worauf die diesbezügliche Annahme der Beklagten beruht, hat sie nicht dargelegt. Soweit die Regelung so verstanden wird, dass sie lediglich eine Darlegungserleichterung für Zeiten vor 19 Uhr an den Tagen von Montag bis Freitag und besondere Darlegungspflichten für Zeiten nach 19 Uhr und Sonntage – der Samstag ist nach § 3 BurlG und § 10 Abs. 1 ArbzG als Werktag anzusehen – enthält, können diese Pflichten jedenfalls nicht über die oben beschriebenen Anforderungen hinausgehen. Diese hat der Kläger indes erfüllt.

Die Mandatsausübung war auch während der Arbeitszeit erforderlich.
Die Frage der Erforderlichkeit betrifft die Frage, ob ein Konflikt zwischen Arbeitszeit und Mandatsausübung überhaupt vorliegt. Dementsprechend ist die Mandatstätigkeit während der Arbeitszeit nur erforderlich, wenn die Arbeitstätigkeit nicht – etwa aufgrund flexibler Arbeitszeitregelungen – nachgeholt werden kann. Dem Charakter des Ehrenamtes entspricht es dabei, durch die Gestaltung der eigenen Arbeitszeit einen Konflikt zwischen Mandatsausübung und Arbeitsleistung möglichst zu vermeiden. Das gilt namentlich auch für Selbstständige, die – wie hier der Kläger – über ihre Arbeitszeit selbst verfügen können. Denn da diese häufig imstande sind, hierdurch etwaige Arbeitszeit- und damit Einkommensverluste auszugleichen, sind sie  auf einen Verdienstausgleich nicht in gleicher Weise angewiesen wie ein Arbeitnehmer.

Arbeitszeitgesetz: Nachholung der Arbeitszeit muss zumutbar sein.
Eine mandatsbedingte „Vor- oder Nachverlegung“ der Arbeitszeit hat im Übrigen auch ein Angestellter in Kauf zu nehmen. Allerdings kann die Verpflichtung zur Nacharbeit nicht grenzenlos gelten. Die Nachholung der Arbeitszeit muss dem Mandatsträger vielmehr auch zumutbar sein. Sinn und Zweck des Verdienstausfallersatzes ist es, den Eintritt beruflicher Nachteile der Mandatsträger zu vermeiden. Hiermit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn ein Mandatsträger über seine Leistungsfähigkeit hinaus zur Nacharbeit gezwungen wäre, weil ihm wegen der theoretischen Möglichkeit der Nacharbeit ein Verdienstausfall nicht ersetzt würde. Bei Arbeitnehmern wird man für die Frage der Zumutbarkeit das Arbeitszeitgesetz heranziehen können. Danach darf die durchschnittliche tägliche Arbeitshöchstdauer von acht Stunden werktäglich im Laufe von 24 Wochen gemäß § 3 ArbZG nicht überschritten werden. Zudem muss die Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und nächsten Arbeitsbeginn nach § 5 Abs. 1 ArbzG gewahrt bleiben. Zwar kann man diesen Maßstab nicht ohne Weiteres auf Selbstständige übertragen. Denn der Selbstständige bestimmt durch seine – über den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes liegende – übliche Arbeitszeit für sich selbst die Grenzen seiner Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Allerdings überschreitet der Kläger mit durchschnittlich elf Stunden Arbeitszeit pro Werktag die oben dargestellten Arbeitszeitgrenzen bereits so deutlich, dass ihm – trotz der in diesem Verfahren in Rede stehenden eher moderaten Anzahl von ca. 10 Stunden in 5 Monaten – die Nachholung von mandatsbedingt ausgefallener Arbeitszeit nicht zuzumuten ist. Dies gilt umso mehr, als das Zeitfenster, das dem Kläger für Nacharbeit zur Verfügung steht, bereits dadurch eingeschränkt ist, dass Sitzungen teilweise noch weit nach 20 Uhr enden und er außerdem die Mandatstätigkeit auch noch etwa durch Studium von Vorlagen etc. vor- und nachbereiten muss.

Hierin liegt auch der maßgebliche Unterschied zur Nachholung von Arbeitszeit in Gleitzeit. Die arbeitsrechtlichen Regelungen zur Arbeitszeit gewährleisten insoweit, dass das Maß an Zumutbarkeit gewahrt bleibt; insoweit liegt angesichts der bloß hälftigen Gutschrift und dem damit korrespondierenden lediglich hälftigen Verdienstausfallersatz nach § 44 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwGO NRW keine unzulässige Ungleichbehandlung selbstständig Tätiger gegenüber Arbeitnehmern mit Gleitzeit vor. Die hälftige Anrechnung erfolgt vielmehr gerade auch dann, wenn die vollständige Nachholung der Arbeitsleistung in Gleitzeit möglich und zumutbar wäre. Hierdurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits der Verlust der durch die Gleitzeit möglichen Flexibilität zur Reaktion auf Arbeitsanfall, persönliche und familiäre Umstände einen Nachteil darstellt.

Für das hier vertretene Verständnis des Erfordernisses der fehlenden Nachholbarkeit spricht auch, dass die Vorschriften über den Verdienstausfall es im Interesse der Stärkung der kommunalen Gremien allen Berufs- und Bevölkerungsgruppen ermöglichen wollen, ein Mandat zu übernehmen. Ginge man bei selbstständig Tätigen von einer grenzenlosen Nacharbeitsmöglichkeit aus, würde bei ihnen der Verdienstausfallersatz weitgehend leerlaufen und die Möglichkeit der Mandatsausübung durch Selbstständige erheblich eingeschränkt.

Auch der ehrenamtliche Charakter der Mandatsausübung steht diesem Verständnis nicht entgegen. Dass umso mehr Verdienstausfall anfällt, je mehr ein Mandatsträger üblicherweise arbeitet und das „Freizeitopfer“ entsprechend spiegelbildlich dazu geringer wird, ist direkte Folge des § 45 Abs. 1 GO NRW und entspricht dem auch in § 44 GO NRW Ausdruck findenden Grundgedanken, berufliche Nachteile für Mandatsträger zu vermeiden und nicht nur solchen den Zugang zur Mandatstätigkeit zu ermöglichen, die ihre Berufstätigkeit unproblematisch mit der Mandatsausübung vereinbaren können.

Damit bleibt der Verdienstausfallersatz auch bei Personen, die längere Arbeitszeiten als allgemein üblich haben, ein Nachteilsausgleich und bedeutet nicht etwa eine Bevorzugung dieser Personengruppe. Schließlich ist beim Kläger im Sinne des § 45 Abs. 1 GO NRW auch ein Verdienstausfall eingetreten.

Die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 GO NRW, nach der Selbstständige auf Antrag anstelle des Regelstundensatzes eine Verdienstausfallpauschale je Stunde erhalten, die im Einzelfall auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Einkommens nach billigem Ermessen festgesetzt wird, zeigt ebenfalls, dass es – auch zur Verwaltungsvereinfachung – nicht auf die konkreten in einer bestimmten Zeit entgangenen Einnahmen ankommt. Hiermit reagiert das Gesetz darauf, dass der Nachweis der einem Selbstständigen entstandenen Einkommenseinbuße praktisch kaum möglich ist: dies betrifft indes nicht nur die Höhe, sondern auch den Einkommensverlust dem Grunde nach.

Dementsprechend ist, wie das Verwaltungsgericht in der Vorinstanz zutreffend angenommen hat, vom Kläger nicht der konkrete Nachweis entgangener Einnahmen zu fordern. Es genügt, wenn der Mandatsträger einen Verdienstausfall plausibel macht. Dies ist vorliegend der Fall. Dass der Kläger angesichts des durch die Mandatstätigkeit eintretenden Zeitverlusts Aufträge langsamer bearbeitet und nicht wenige Bauherren schneller arbeitende Kollegen bevorzugen, ist unmittelbar nachvollziehbar. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger auch angegeben, eigene geplante Projekte wegen Zeitmangels zurückgestellt beziehungsweise Aufträge zurückgewiesen zu haben. Eine Situation, in der ein finanzieller Nachteil für den Kläger ausgeschlossen erscheint, liegt damit nicht vor.