Plakatwerbung von Parteien

19.04.2022 Der Anspruch von Parteien auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Plakatierung bei Wahlen kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts durch schützenswerte Interessen der kommunalen Körperschaften begrenzt werden. Um eine wochenlange Beeinträchtigung des Stadtbildes durch „wildes Plakatieren“ zu verhindern und um einen besonders schützenswerten historischen Stadtkern von einer Sichtwerbung für Wahlzwecke gänzlich freizuhalten, können die Anzahl der Wahlplakate und deren Aufstellungsort von der zuständigen Behörde bestimmt werden.

Insgesamt muss aber eine für die Selbstdarstellung der jeweiligen Partei notwendige und angemessene Wahlpropaganda ermöglicht werden. Der angemessene Umfang der Wahlwerbung bestimmt sich nach dem Grundsatz der „abgestuften Chancengleichheit“, wie er in § 5 ParteiG seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Demzufolge ist es zulässig und gegebenenfalls sogar notwendig, die Parteien bei der Gewährung öffentlicher Leistungen, wie hier bei der Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Wahlwerbezwecke, nach ihrer Bedeutung ungleich zu behandeln. Die Bedeutung der Parteien bemisst sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorangegangener Wahlen zu Volksvertretungen. So ist es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts geboten, jeder Partei, die Stellplätze für Wahlplakate beansprucht, mindestens fünf Prozent der bereitgestellten Plätze zur Verfügung zu stellen. Die restlichen Plätze sind auf die Parteien nach deren Bedeutung zu verteilen (Bundesverwaltungsgericht;   Urt. v. 13.12.1974, Az.: BVerwG VII C 42.72).


Amtlicher Leitsatz

  1. Bundesrecht steht einer Erlaubnispflicht für das Aufstellen von Werbeträgern für die Wahlpropaganda auf öffentlichem Straßenland nicht entgegen. Bundesverfassungsrecht begrenzt aber für solche Fälle das Ermessen, das der zuständigen Gemeindebehörde bei der Entscheidung über Anträge auf Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zusteht, und gibt für den Regelfall einen Anspruch darauf, in - nach Umfang und Aufstellungsort - angemessener Weise eine Wahlsichtwerbung auf öffentlichen Straßen zu ermöglichen; bei der Beurteilung der Frage, in welcher Weise dieser Anspruch zu erfüllen ist - durch grundsätzliche Freigabe der Straßen für freies Plakatieren, durch Auswahl und Zuweisung bestimmter Aufstellplätze an die einzelnen Parteien oder durch Bereitstellung gemeindeeigener Plakatflächen -, sind die Gemeinden durch Bundesrecht nicht gebunden.
  2. Wenn die Gemeindebehörde eine bestimmte Zahl von Stellplätzen als geeignet für die Wahlsichtwerbung aussucht und den Parteien auf Antrag zuteilt, so ist § 5 PartG mit dem Grundsatz der abgestuften Chancengleichheit anwendbar. Die Heranziehung des Grundsatzes der abgestuften Chancengleichheit darf jedoch auch für die kleinste Partei eine wirksame Wahlpropaganda nicht ausschließen; deswegen muß grundsätzlich für jede Partei ein Sockel von fünf vom Hundert der bereitstehenden Stellplätze zur Verfügung stehen und darf die größte Partei nicht mehr als das Vier- bis Fünffache an Stellplätzen erhalten, die für die kleinste Partei bereitstehen.